Schuster, bleib‘ bei deinem Leisten

Daß es meist zu Nichts führt, wenn sich die oberen Herren der katholischen Kirche in Gebiete jenseits der Theologie einmischen, ist hinlänglich bekannt. Leider hat die kenianische katholische Bischofskonferenz offensichtlich keinen direkten Draht zu den Kölner Kollegen, da hätte man etwas lernen können – Chance vertan.

Aber von Anfang an:
Schon seit Beginn des Jahres wettert die katholische Bischofskonferenz Kenias gegen das Tetanus Impfprogramm, das vom kenianischen Gesundheitsministerium, der WHO und Unicef gemeinsam durchgeführt wird.
Ich bin erst Anfang Oktober über die Geschichte gestolpert, als unsere Oberschwester von der Jahrestagung der katholischen Krankenhäuser zurückkam und in der wöchentlichen Krankenhausversammlung verkündete, dass von nun an die katholische Kirche das Impfprogramm gegen Tetanus nicht mehr unterstütze, weil die Impfung unfruchtbar mache (Die Presseerklärung der KCCB).
Die von der KCCB (Kenyan Conference of Catholic Bishops) verbreitete Geschichte geht so: Der von Unicef eingesetzte Impfstoff stamme unter anderem aus Indien, dort sei der Impfstoff mit dem Hormon beta-HCG versetzt worden, das Frauen unfruchtbar mache.
Deshalb würden auch nur Frauen zwischen 14 und 45 Jahren geimpft, die Tetanus-Impfung sei unfreiwillige Familienplanung.

Bei den aktuellen Impfkampagnen geht es vor allem darum, den Neugeborenen Tetanus zu bekämpfen. Da auch in Kenia immer noch viele Hausgeburten vorkommen und die Versorgung der Nabelschnur der Kinder oft mangelhaft bis fahrlässig ist, gibt es immer noch viele tödlich verlaufende Fälle von Neugeborenen Tetanus. Wikipedia  zum Beispiel erklärt das kurz und knapp in wenigen Sätzen.

Der zweite Teil verlangt dann schon ein wenig medizinisches Verständnis:
Beta-HCG ist ein Hormon, das schon früh in der Schwangerschaft produziert wird, um die Schwangerschaft zu erhalten. Es ist auch das Hormon, das mit handelsüblichen Schwangerschaftstests nachgewiesen wird. (Daneben wird es auch bei nicht-schwangeren Frauen und auch Männern in geringer Dosis produziert, aber das nur der Vollständigkeit halber).

Insbesondere indische Forscher haben sich in der Vergangenheit tatsächlich damit befasst, aus HCG einen „Verhütungs-Impfstoff“ zu entwickeln. (Für die wirklich Intreressierten eine Zusammenfassung). Grundsätzlich ist es möglich eine Frau mit HCG zu impfen, so dass der Körper dann das „eigene“ HCG mittels des Immunsystems bekämpft und eine Schwangerschaft verhindert. Dabei gibt es allerdings zahlreiche medizinisch-technische Hindernisse, was bisher verhindert hat, dass es einen solchen Impfstoff ausserhalb von kleineren Versuchsreihen gibt.
Der Einfachheit halber haben die Forscher für ihre Versuche Anfang der 90er den neu entwickelten HCG Impfstoff an schon bestehenden Tetanusimpfstoff chemisch angekoppelt. Ein Impfstoff ist zwar theoretisch eine einfache Sache, aber im Detail eben doch sehr kompliziert – deshalb wird gerne auf schon bestehende Impfstoffe als „Träger“ zurückgegriffen.
Daher also der Zusammenhang von Tetanus und Verhütungs-Impfung.

Vor 20 Jahren gab es das gleiche Gerücht wie jetzt in Kenia auch schon in Mexiko, Nicaragua, den Philippinen und Tansania und schon damals war an der Geschiche nichts dran. Die WHO hat damals sogar einen Artikel zu dem Thema veröffentlicht.
Chemisch ist es wohl so, dass einige der Substanzen in normalem Tetanus Impfstoff dazu führen können, dass ein Standard-HCG Test positiv ausfällt – aber eben falsch positiv.

Dennoch vertreten die katholischen Bischöfe seit Anfang des Jahres ihre krude These. Auch, dass ihr medizinischer „Sachverständiger“ schon arg unter Beschuss der kenianischen Ärztekammer geraten ist und seine bisherigen Aussagen relativiert hat, hat nicht zur Einsicht geführt.

Bleibt als Hoffnungsschimmer nur, dass laut einer aktuellen Umfrage auch in Kenia die katholische Kirche immer weniger Einfluss auf das Leben der Menschen hat – die Impfbeteiligung hat bisher wohl nicht gelitten.
Vielleicht bringt ja das nächste Pfingstfest die erhoffte Einsicht auch nach Kenia…

 

 

 

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